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ADAC Winter-Reifentest, Ulrichen Schweiz16.-17. Januar 2009

Porträt

ADAC-Reifentestleiter Daniel Bott im Interview: „Der ADAC-Test ist auf Ausgewogenheit programmiert."

Daniel Bott ist Leiter der Reifentests des ADAC-Technikzentrums. Im ersten Teil des Interviews in der Januar-Ausgabe berichtete der Reifenexperte über die Testmethoden des ADAC. Im zweiten Teil nun spricht Bott über die Testkriterien des ADAC und über Qualitätsunterschiede zwischen Premium- und Budgetprodukten.

Herr Bott, Testergebnisse können dimensionsabhängig sehr stark variieren. Was sind die Gründe hierfür und welche Auswirkungen habe diese auf Ihre Tests?
Oftmals liegt es an unterschiedlichen Wettbewerbern, mit denen die Reifen verglichen werden, an Weiterentwicklungen einzelner Modelle oder an Einsparmaßnahmen im Reifenbau. Genau gesagt produzieren manche Hersteller für Kleinwagen und Fahrzeuge der unteren Mittelklasse die gleichen Modelle, die viel mehr Kompromisse eingehen müssen, andere Hersteller produzieren unterschiedliche Modelle für die jeweiligen Fahrzeugklassen. Daher haben die Reifenmodelle für beide Fahrzeugklassen jeweils andere „Gegner“ und schneiden mal besser, mal schlechter ab. Zusätzlich optimieren die Premiumhersteller ihre Produkte, v.a. bei Winterreifen, fast jährlich, wer nichts macht, kommt im Vergleich dann schlechter weg, wer nur alle zwei oder drei Jahre optimiert, springt oft hin und her. Ein weiterer, wenn auch seltener Fall, betrifft die Produktionskosten. Wenn Produktionen in Billiglohnländer verlegt werden, Zulieferer wegen Materialkosten gewechselt werden oder einfach günstigere Materialien eingesetzt werden, nach dem eine Produktlinie etabliert ist, schneiden die Reifen meist schlechter ab. Daher haben wir immer mal wieder Produkte, die in unserem Test im Ergebnis variieren, reagieren können wir darauf nicht. Mein Rat an die Verbraucher wäre, Fabrikate zu kaufen, die über mehrere Tests konstante Ergebnisse liefern.

Nach welchen Kriterien testet der ADAC? Welche sind die entscheidenden Leistungsfaktoren für Winterreifen, welche für Sommerreifen?
Der ADAC-Reifentest beinhaltet alle sicherheitsrelevanten Fahreigenschaften auf verschiedenen Fahrbahnzuständen, wirtschaftliche Eigenschaften wie Verschleiß oder Kraftstoffverbrauch und Informationen zum Geräuschverhalten. Ausgenommen Geräusch haben alle Kriterien den gleichen Einfluss auf die Empfehlungen, eine Schwäche reicht aus, um abgewertet zu werden.
Wir wollen nicht, dass schwache Kriterien mit starken Konkurrenzkriterien ausgeglichen werden können, z.B. sollten Schwächen in Nässe nicht mit extrem gutem Verschleiß ausgeglichen werden können. Innerhalb der Empfehlungen wird über eine Gewichtung der einzelnen Kriterien die Rangfolge berechnet. Egal ob Sommer- oder Winterreifen, die höchste Gewichtung hat im ADAC-Reifentest die nasse Fahrbahn. Leider unterschätzen die meisten Pkw-Fahrer die nasse Fahrbahn, und deswegen legen wir soviel Gewicht darauf. Im Prinzip bewegt sich jeder Autofahrer, der im Berufsverkehr „mitschwimmt“, auf nasser Fahrbahn schon im Grenzbereich. Die Winterkriterien Schnee und Eis gemeinsam haben genauso viel Gewichtung wie die nasse Fahrbahn. Das Verhältnis der Gewichtung bei Winterreifen auf trockener Fahrbahn gegenüber Nässe, Schnee und Eis entspricht dem Verhältnis der Witterungsbedingungen eines deutschen Durchschnittswinters. Wir haben über mehrere Jahre die Wetterdaten aller Landeshauptstädte analysiert und unsere Gewichtung dementsprechend ausgerichtet. Dabei haben wir festgestellt, dass es im Durchschnitt genauso oft nass wie winterlich ist, d.h. Schneefall oder Frost, ca. halb so oft haben wir trockene Fahrbahnen. Für Sommerreifen gilt dasselbe Verhältnis der Gewichtung zwischen nasser und trockener Fahrbahn, Nässe zählt doppelt so viel. Die wirtschaftlichen Eigenschaften bleiben im Verhältnis zwischen Sommer- und Winterreifen ebenfalls ähnlich.

Unterscheiden sich die ADAC-Kriterien wesentlich von denen anderer Endverbrauchermagazine?
Der ADAC-Test ist der umfangreichste Test, der den Endverbrauchern zugänglich ist. Unser Reifentest beinhaltet als einziger den Reifenverschleiß und Tests auf Eis. Ein weiterer Unterschied ist der Kraftstoffverbrauch. Während alle Magazine und Hersteller den Rollwiderstand auf einem Prüfstand testen, messen wir den tatsächlichen Verbrauch am Fahrzeug mit speziellen Messgeräten. Des Weiteren unterscheidet sich die Schneebeschaffenheit unserer Teststrecken deutlich, da wir unsere Oberflächen zwar festfahren, die oberste Schicht allerdings wieder auflockern. Die extrem harten Schneefahrbahnen auf den skandinavischen Testgeländen finden wir in unserem Kerngebiet Deutschland, Österreich, Schweiz nicht, daher testen wir die Schneeeigenschaften in der Schweiz und präparieren die Oberflächen selbst.

Für die Entwickler der großen Reifenhersteller ist Ihr Urteil ein wesentlicher Gradmesser. Wie beurteilen Sie insgesamt das Niveau der derzeitigen Winterreifen und sind die Qualitätsunterschiede zwischen Premiumprodukten und solchen im niedrigen Preissegment tatsächlich so gravierend?
Das Niveau ist heute sehr hoch, es ist aber immer noch Potenzial für Verbesserung vorhanden. Die Qualitätsunterschiede sind in der Regel so groß, dass jeder Laie, der die Möglichkeit hätte, im direkten Vergleich die Reifen zu testen, die Unterschiede sofort spüren würde. Zum Vergleich: Heutige „Billigreifen“ sind oft noch auf dem Niveau eines Premiumreifens von vor 15 Jahren.
Ein Premiumreifen ist nicht teuer wegen seines Namens, teuer sind die ständigen Optimierungen und neuen Materialien. Es gibt Materialien, die die Zielkonflikte besser lösen, i.d.R. sind diese deutlich teurer, bzw. der Arbeitsprozess, diese zu verarbeiten, kostet deutlich mehr Geld. Zwischen Premium- und Billigreifen finden wir viele Zweitmarken, die deutlich günstiger als Premiumreifen sind, aber eben auch deutlich besser als die ganz billigen. Oftmals werden etablierte Mischungen der Premiumreifen bei den Zweitmarken weiterverwendet, wenn für die Premiumreifen neue Mischungen bereitstehen. Wer mit den Schwächen der Zweitmarken leben kann, hat hier eine wirklich günstige Alternative. Wer z.B. in schneearmen Regionen unterwegs ist, braucht keinen Schneespezialisten und wer nicht viel fährt, ist mit dem Verschleißsieger sicherlich falsch beraten.

Die Reifenentwickler müssen stets verschiedene Zielkonflikte austarieren. Allgemein sagt man, dass ein guter Reifen ein ausgewogener Reifen ist. Stimmen Sie dem zu?
Der ADAC-Test ist auf Ausgewogenheit programmiert. Nur wer alles gut kann, ist besonders empfehlenswert. Eine einzige Schwäche entscheidet über die Empfehlung. Kaum ein Verbraucher kann sich aussuchen, bei welchem Wetter gefahren wird, und kaum einer kann sich leisten, nach 2.000 km einen neuen Satz Reifen montieren zu lassen.

Gibt es bei der Vielzahl der Reifen „Unverträglichkeiten“ zwischen einem Reifen und einem bestimmten Fahrzeug? Woran kann sich der Reifenhändler und/oder Endverbraucher orientieren?
Die einzigen mir bekannten Unverträglichkeiten beschränken sich auf ungleichmäßigen Abrieb und das dadurch entstehende Abrollgeräusch. Oft begründet sich das Phänomen auf das Fahrwerk des Fahrzeugs und die Probleme treten dann bei allen Reifen auf. Es gibt aber auch einzelne Reifenmodelle, die selbst der Grund sind, allerdings kann man das nicht voraussehen. Einziger Anhaltspunkt ist die Anlieferung eines Reifenmodells an den Fahrzeughersteller, der seine Fahrzeuge ab Werk mit diesem Reifenmodell ausrüstet. In dieser Kombination sollten keine Probleme auftreten. Allerdings gibt es keine Garantie für die Verträglichkeit. (kle)

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