Immer dann, wenn der Reifenfachhändler fest davon überzeugt ist, daß sich keine neue Wettbewerbsschiene im Markt auftut, entwickelt sich ein neuer Absatzkanal. Die Pneuexperten haben sich längst damit abgefunden, daß die Treueschwüre der Reifenhersteller nicht mehr ein Leben lang halten. Sie tolerieren das Werben der Hersteller um neue Vermarkter. Der Flirt mit dem Autohaus entwickelte sich längst zu einer andauernden Lebensgemeinschaft zweier Partner. Der Reifenhandel selbst weiß, daß er den verstärkten Verdrängungswettbewerb mit dem Autohaus und den Werkstätten aufnehmen muß.
Deshalb verunglimpfen logisch agierende Reifenexperten nicht die neuen Kanäle, sie fordern vielmehr von der Industrie zumindest eine Preisstellung, welche die Konkurrenz nicht übervorteilt. Nachdem die Reifenhändler über Jahre hinweg dafür gesorgt haben, daß der Pneu rollte, gilt dieses Ansinnen sicherlich nicht als überzogen. Für den Reifenfachhandel steht auch nicht allein das Autohaus im Fokus, schließlich zielen neben den Vertragswerkstätten vor allem die freien Werkstätten auf neue Absatzpotentiale. Nachdem die Inspektionsintervalle immer länger dauern, muß sich der Werkstattbesitzer zwangsläufig nach neuen Einnahmen umsehen. Die Verbindung zwischen Auto und Reifen ist nur allzu nah. Im Gespräch mit dem Leverkusener Allrad- und Trainerexperten Dieter Rolfes gab dieser zu verstehen, daß es ihn nicht wundern würde, wenn demnächst in Factory Outlets auf der grünen Wiese auch Reifen angeboten werden.
Deshalb gilt für den Pneuexperten: Eigene Konzepte, die generell auf Kundenwünsche ausgerichtet sind, müssen entwickelt werden, spezifisch für den eigenen Betrieb. Auf die Lösung vom Verband, von der Industrie oder vom „Gott aus der Maschine“ kann nicht gewartet werden. Empfehlungen des Verbandes gelten generell, individuelle Lösungen muß der Unternehmer selbst suchen. Und daran krankt es mächtig. Noch immer überlassen viele Firmeninhaber die Planung ihres Unternehmens der Industrie, den Kooperationen oder anderen Marktgrößen. Eins dürfen sie dabei nie vergessen: Alle Institutionen verfolgen ihren ureigenen Zweck, der sich nicht mit dem den Interessen des Reifenhandel hundertprozentig deckt. Wer glaubt, daß die Kooperationen nur zum Wohle der Mitglieder handeln, der irrt gewaltig. Hier wird Business betrieben, das oft den persönlichen Zielen der Geschäftsführer wie Macht, Ruhm und Ehre untergeordnet ist. Der Tip: Empfehlungen, Ratschläge, Diskussionen, diese fruchtbaren Elemente können in die Entscheidungen einfließen. Diese müssen aber vom Inhaber selbst getroffen werden. Wenn er das eigene Konzept nicht durchsetzt, wird er wie ein Roboter ferngesteuert, von wem auch immer.
(Mutz)