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Porträt

Blick in die Reifen-Zukunft

Das ausgewogene Vortragsprogramm auf der diesjährigen Intelligent Tire Technology Konferenz hielt den Informationsgehalt auf einem konstant hohen Niveau. Das Fachmeeting lieferte zahlreiche Anregungen zu den Herausforderungen auf dem internationalen Reifenmarkt und einen gelungenen Ausblick auf vielversprechende neue Technologieentwicklungen im Reifensektor.

Das ausgewogene Vortragsprogramm auf der diesjährigen Intelligent Tire Technology Konferenz hielt den Informationsgehalt auf einem konstant hohen Niveau. Das Fachmeeting lieferte zahlreiche Anregungen zu den Herausforderungen auf dem internationalen Reifenmarkt und einen gelungenen Ausblick auf vielversprechende neue Technologieentwicklungen im Reifensektor.
Wie wird wohl ein Reifen im Jahr 2020 aussehen? Rund höchstwahrscheinlich. Das Innenleben allerdings hat sich in den vergangenen Jahren rapide weiterentwickelt und bietet sicher auch in den kommenden Jahren enorme Verbesserungsmöglichkeiten. Sicher, die für die Pneuentwicklung so typischen Zielkonflikte werden weiter Bestand haben, dennoch machen es chemische Innovationen und auch andere konstruktionstechnische Entwicklungen immer leichter, die relevanten Zielparameter besser auszutarieren und die Fahreigenschaften unter allen Bedingungen komfortabler und umwelteffizienter zu gestalten. Welche Modifikationen sind im Reifenaufbau, der Struktur und der Profilgestaltung noch möglich, wird es in Sachen Gummimischungen vergleichbare Entwicklungsschübe wie nach der Einführung von Silica geben, und auf welcher Basis werden die Reifendruckkontrollsysteme der Zukunft arbeiten? Interessante Anregungen lieferte die Intelligent Tire Technology Konferenz, die Mitte Oktober im Stuttgarter Millennium Hotel stattfand.

Zwei Vorträge zu den Zukunfts-Trends und Herausforderungen sowie zu den von der EU beschlossenen Neuregelungen für Reifen hatten die Veranstalter als einführende Elemente des Fachmeetings platziert. Lars Netsch von der TÜV SÜD Automotive GmbH lieferte im Anschluss eine Vorstellung von „Rollwiderstand-plus“, einer neuen Methode zur Optimierung des Einsatzes energieeffizienter Reifen über aktuelle Richtlinien hinaus. Abhängig von der Technologie und Fahrsituation kommt den Reifen ein Anteil von rund 20 bis 30 Prozent am Energiebedarf des Fahrzeuges zu. Laut Netsch wird allein durch die neuen EU-Gesetze zur Klassifizierung der Kraftstoffeffizienz von Reifen das Potenzial zur Energieeinsparung noch nicht voll ausgeschöpft. Die maximalen Einspareffekte moderner Leichtlaufreifen können nur durch die optimale Ausbalancierung des Zusammenspiels zwischen Fahrzeug und Reifen erreicht werden. Nicht hinreichend übereinstimmend seien außerdem die aktuellen Kraftstoffverbrauchsmessungen mit den bekannten Fahrzyklen. Die Methode „Rollwiderstand-plus“ soll bei der Charakterisierung der Reifen hinsichtlich ihres Energieverbrauchs unter verschiedensten Einsatzbedingungen unterstützend wirken und eine mathematische Modellierung möglich machen. Diese Modelle sollen als Basis für eine rechnerische Abschätzung dienen. Wie viel Kraftstoff also verbraucht ein Fahrzeug in Kombination mit einem bestimmten Reifen im realen Fahrbetrieb tatsächlich. „Rollwiderstand-plus“ ist eine Option zur energetischen Optimierung des Zusammenwirkens von Reifen und Fahrzeug bereits im frühen Entwicklungsprozess.

Über den aktuellen Entwicklungsstand in der Reifentechnologie bei Michelin informierte die Zuhörer auf der Intelligent Tire Technology Konferenz Armin Kistner. Kistner ist verantwortlich für das OE-Geschäft Pkw und Llkw beim französischen Reifenriesen. Eine Vorausschau auf das Innovationspotenzial unternahm der Pneu-Kenner besonders hinsichtlich des Rollwiderstandes und des Nassgrips. Michelin spricht sich klar für das neue Reifenlabeling aus und dokumentiert diese Zustimmung auch durch die kommunizierte Firmenphilosophie „Balance of performance“. Die Qualitäten beim Rollwiderstand sind laut Kistner ebenso wichtig, wie das Sicherheitsvermögen und der Aspekt Laufleistung. Vor allem durch den Einsatz von Silica habe man in der Reifen-Entwicklung viele Bereiche optimieren können. Dennoch gelte es noch eine beträchtliche Wegstrecke in der Entwicklung zurückzulegen, um das Rollwiderstandsziel „A“ nach dem neuen Labeling zu erreichen. Wesentlich einfacher ist es nach Angaben von Kistner, im Bereich Nasshaftung in diese Güteklasse vorzudringen. Nicht zu unterschätzen sei darüber hinaus, dass die Qualitätsanforderungen auf dem chinesischen Markt beispielsweise, aufgrund der dort vorherrschenden Straßenverhältnisse natürlich sehr von den europäischen abweichen können. Es gelte also bei der Reifenkonstruktion auch immer die unterschiedlichen Marktanforderungen zu berücksichtigen.

Ein gern gesehener Gast auf Branchen-Konferenzen ist auch Hans Rudolf-Hein. Die Bridgestone Reifenfachmann referierte über aktuellen Entwicklungen und die künftigen Perspektiven im Bereich Runflat. In einem Rückblick zeichnete Hein die Runflat-Entwicklungslinie im Bridgestone-Konzern nach. Ausgehend von der im Jahr 1987 eingeführten ersten Generation von Bridgestone Runflat-Reifen wurde hier veranschaulicht, welche Verbesserungen in der zweiten bis schließlich dann im Jahr 2009 der dritten Generation realisiert wurden. Das erste Serienfahrzeug, das mit Runflat-Reifen ausgeliefert wurde, war der Porsche 959. Im Jahr 1987 bestückte Bridgestone den Sportwagen mit 235er-Vorderreifen und 255er-Hinterreifen in 17 Zoll. Mit der im vergangenen Jahr eingeführten dritten Generation, die natürlich für eine weitaus umfassendere Anzahl an Fahrzeugen bestimmt ist, konnten laut Hein entscheidende Fortschritte in Sachen Komfort erzielt werden. Grundlage hierfür sind laut den Verantwortlichen drei neue Technologien. Die veränderte Kohlenstoffverteilung der Gummimischung soll die Reibung zwischen den einzelnen Molekülen mindern und dadurch zur Minimierung der Hitzeentwicklung beitragen. Ein entscheidendes Element ist darüber hinaus der Einsatz einer speziellen Hightech-Faser, die weniger wärmeempfindlich ist. Die sogenannte „Cooling Fin“ an der Seitenwand für eine bessere Belüftung nennt Hein als dritte Verbesserung. Bridgestone verfolgt nun die Strategie, Runflat-Reifen noch stärker im OE-Geschäft zu platzieren und besonders die Aufmerksamkeit beim Endverbraucher zu erhöhen. Entscheidende Probleme beim Rollwiderstand, der vertikalen Steifigkeit und dem Gewicht seien in der dritten Generation behoben werden. Und mit Blick auf den Fahrkomfort ist sich Hans-Rudolf Hein sicher, dass „normale Pkw-Fahrer den kleinen Fahrkomfort-Unterschied zu konventionellen Reifen nicht bemerken“. Auch wenn Rudolf-Hein in Stuttgart ein starkes Plädoyer für die neueste Generation der Bridgestone Runflat-Technologie lieferte, das Ende der Entwicklungslinie scheint in diesem Bereich gerade was die Felder Rollwiderstand, Gewicht und Fahrkomfort angeht noch lange nicht erreicht.

Marco Sabatini, Pirelli Tire System Manager, gewährte in Stuttgart Einblicke in das Cyber™ Tyre-System des italienischen Reifenherstellers. Diese Technologie verleiht dem Reifen einen Speicher, stattet ihn quasi mit einem „Reifengedächtnis“ aus. Über den Bordcomputer des Fahrzeugs sollen verschiedene Informationen über den Betriebszustand des Reifens verzögerungsfrei an den Fahrer übermittelt werden. Zentrale Komponenten des Systems, das für den High-End-Markt bestimmt ist, sind die Sensoren und die wireless UWB-Technologie zur Übertragung. Jedes Merkmal eines Reifens, von seiner Realisierung über den Betrieb unter verschiedenen Bedingungen bis hin zum völligen Druckverlust im Falle eines Runflat-Reifens, wird registriert und von einem Transponder unter dem Laufstreifen übertragen. Die Übertragung erfolgt über eine Antenne innerhalb des Reifens und eine weitere im Radkasten. Je nach Ausführung soll Cyber™ Tyre die Wirkung eines echten Speichers haben, der alle Aktivitäten des Reifens anhand einer Vielzahl von Informationen überwacht. Relevant sind die Grundeigenschaften des Reifens, die Betriebstemperaturen, der Reifendruck, die Rest-Distanz bis zur unumgänglichen Reparatur, die Typologie der Straßen­oberfläche, die auf den Reifen wirkende Vertikallast sowie Dimensionen der Reifenaufstandsfläche.

Die Möglichkeiten der Sensorik und elektronischer Systeme erläuterten auch Thierry Pinard und Thomas Kienzle. Pinard präsentierte als Produkt Manager TPMS bei der Johnson Controls Automotive Electronics SAS das aktuellste Reifendruckkontrollsystem des Unternehmens. Ein eben solches hatte auch Kienzle als Produkt Manager TTS der BorgWarner BERU Systems GmbH im Gepäck. Zweifellos verdeutlichten die Vorträge der beiden Referenten die wachsende Relevanz von Kontrollsystemen für Reifen. Ein korrekter Reifendruck hat entscheidenden Einfluss auf die Faktoren Spritersparnis, Lebensdauer eines Reifens, Straßensicherheit und Reduzierung der CO2-Emissionen.

Insgesamt wusste das Vortragsprogramm auf der diesjährigen Intelligent Tire Technology Konferenz zu überzeugen. Der Informationsgehalt bewegte sich auf einem konstant hohen Niveau. Das Fachmeeting lieferte zahlreiche Anregungen zu den Herausforderungen auf dem internationalen Reifenmarkt und einen gelungenen Ausblick auf vielversprechende neue Technologieentwicklungen.

(kle)

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