Im Nachgang zur Insolvenz der deutschen Unternehmen innerhalb der umfirmierten Fintyre Group gibt es viel zerbrochenes Porzellan.
In erster Linie sollte an die rund 1.000 Mitarbeiter gedacht werden. Sie haben im guten Glauben und mit viel Einsatz für ihre jeweiligen Unternehmen gearbeitet. Unsere Redaktion hatte bereits im Vorfeld zahlreiche Hinweise erhalten. Dann jedoch nach unserem ersten Sondernewsletter (31.01.2020) stand das Telefon nicht mehr still. Teilweise waren Mitarbeiter total überrascht. Einige haben sich noch nie in so einer unverschuldeten Situation befunden. Dabei muss vor allem die Art und Weise der Fintyre-Geschäftsführung gerügt werden. Die Information über nicht gezahlte Gehälter an die Mitarbeiter ging am letzten Tag des Monats, also am 31.01.2020, per Mail raus. Diese Art der Mitarbeiterführung und -betreuung ist niveaulos.
Das Management hat in jeglicher Hinsicht versagt. Pure Einkaufsmacht ist heute kein Argument mehr, um sich in einem Markt breit zu machen. Mehr denn je sollte ein partnerschaftliches Miteinander gepflegt werden. Zwischen der Industrie und dem Großhandel gibt es naturgemäß immer wieder Reibungspunkte. Trotzdem ist es ein Geben und Nehmen, wenn beide Seiten erfolgreich sein wollen. Dies wurde hier in sträflicher Weise missachtet.
Die Überheblichkeit im Management lässt gestandene Branchenexperten den Kopf schütteln. Erschreckend ist, wie schnell gutgehende Unternehmungen in kürzester Zeit kritische Umsatzverluste erwirtschaften können.
Die Reifenindustrie muss sich ebenfalls hinterfragen, warum sie sich an diesem aggressiven Geschäftsmodell beteiligt hat. Trotz Warenkreditversicherungen werden wahrscheinlich nicht alle Forderungen ausgeglichen. Diejenigen Hersteller, die eine Warenkreditversicherung abgeschlossen haben, trifft es nicht so hart. Die Kreditversicherer werden zahlen, aber im Gegenzug die Reifenbranche kritisch neu bewerten.
Stellt sich die Frage, wie sich der Großhandel im deutschen Markt nun aufstellt. Branchenexperten gehen davon aus, dass Fintyre im vorigen Jahr noch rund vier bis fünf Millionen Reifen abgesetzt hat. Wer kann die Lücke füllen und die Verfügbarkeit sicherstellen?
Es bleibt vor allem für die Mitarbeiter zu hoffen, dass der jetzt bestellte Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Miguel Grosser aus Frankfurt am Main, für einzelne Geschäftsbereiche oder Unternehmungen kaufwillige Interessenten findet, die an einer Fortführung der Geschäfte interessiert sind. Wir bleiben am Ball.
Olaf Tewes
Lesen Sie eine Chronologie und Einordnung der Ereignisse in der vorliegenden März-Ausgabe.
(oth/kle)