Mit Dr. Burkhard Wies, Reifenentwickler der Continental AG, sprach "AutoRäderReifen-Gummibereifung" über seine Arbeit. Der junge, aber erfahrene Entwickler blickt sowohl zeitlich über den Tellerrand als auch geografisch über den großen Teich nach Amerika. "Dort wird", so Dr. Wies, "gute Arbeit geleistet."
GB: Welche Zielkonflikte gibt es von der technischen Seite bei der Entwicklung von Winterreifen für Europa? Dr. B. Wies: Die klassischen Zielkonflikte für europäische Winterreifen sind Winterperformance vs. Trockeneigenschaften sowie Nässeperformance vs. Abrieb. Dabei ist der Trend, Winterreifen bezüglich Handling und Trockenbremsen zu optimieren, sehr fragwürdig, da sehr große Einbußen in den Wintereigenschaften in Kauf genommen werden müssen.
GB: Worauf legen Sie bei der Winterreifen-Entwicklung den meisten Wert? Dr. B. Wies: Das wichtigste Ziel ist, einen ausgewogenen Reifen zu entwickeln. Die Entwicklungsschwerpunkte sind markenbezogen. Bei der Premiummarke Continental haben wir den Anspruch, die bereits angesprochenen Zielkonflikte auf höchstem Niveau zu lösen. Uniroyal ist die nässeorientierte Marke, Semperit besitzt seine Stärken bei den klassischen Wintereigenschaften.
GB: Für welche Entwicklungsbereiche und Marken sind Sie verantwortlich? Dr. B. Wies: In meinem Bereich werden sämtliche PKW Reifen bis auf Continental Sommerreifen entwickelt. Das beinhaltet im Einzelnen die Marken: Continental (Winter), Uniroyal, Semperit, Barum, Viking, Gislaved, Mabor,General Tire sowie mehr als 20 Private Brands.
GB: Fasziniert Sie die Entwicklung eines Pkw-Reifen mehr als ein Nutzfahrzeug-Reifen? Dr. B. Wies: Die Entwicklung eines PKW-Reifens ist insgesamt ein komplexeres Aufgabengebiet. Die Entwicklungsziele ändern sich schneller, die Anforderungen sind vielschichtiger. So sind z. B. mit der rasanten Entwicklung des SUV Segments kurzfristig neue Produktfamilien entstanden.
GB: Welchen gesamten Vorlauf benötigt ein Reifen von der Entwicklung bis zur Serienreife - weshalb sind die Zyklen in den letzten Jahren immer kürzer geworden? Dr. B. Wies: Eine komplette Produktentwicklung dauert zwischen 1 und 4 Jahren, abhängig von der Marke. Die Zyklen werden kürzer, da die Anforderungsprofile sich schneller ändern. Durch den verstärkten Einsatz von Simulationstools und Optimierungen im Entwicklungsprozess können wir diesen Anforderungen gerecht werden.
GB: Benötigt der Verbraucher wirklich alle zwei Jahre ein neues Profil? Dr. B. Wies: Unsere Produkte haben Lebenszyklen von 5 bis 7 Jahren. Eines neues Produkt definiert sich nicht nur durch eine veränderte Profilgestaltung. Konstruktion, Mischung und Reifenkontur sind ebenfalls wichtige Entwicklungsparameter. Aber 2 Jahre sind sicherlich viel zu kurz, um auch die Kundenakzeptanz und Marktfähigkeit eines Produktes sauber ausloten zu können.
GB: Wer bestimmt, ob und wann ein neuer Reifen eingeführt wird? Dr. B. Wies: Die Ablösung oder Neuentwicklung wird letztendlich durch Handel und Endverbraucher gesteuert. Analysen aus Marketing und Key-Account-Management geben hier zuverlässige Daten. Wir haben hier intern ein interdisziplinäres Team - das PPT (Produkt Planungs Team) installiert.
GB: Nach Radial, Silika, Bionik - welcher technische Trend kommt jetzt auf die Produktion zu? Dr.B. Wies: Wir haben natürlich viele neue Ansätze in unseren "Entwicklungskühlschränken", die ich hier nicht veröffentlichen kann. Großes Potenzial steckt auf jeden Fall in der Entwicklung neuartiger Laufstreifensysteme. Des Weiteren haben wir zahlreiche Aktivitäten in Bezug auf adaptive Materialien laufen, d.h. Eigenschaften (z. B. Steifigkeit)ändern sich mit einem Aktivator (z.B. Temperatur).
GB: Welchen neuen Reifen präsentiert Continental (alle Marken) im nächsten Jahr? Dr. B. Wies: Im Jahr 2003 wird es im Sommerreifenbereich zwei neue Linien geben: ContiEcoContact 3 und Gislaved Speed 616. Für die nordische Region werden drei Winterreifenlinien gelaunched: ContinentalVikingContact3, Gislaved Softfrost2 und Uniroyal MS soft. Alle drei haben eine extrem weiche Laufstreifenmischung (soft com