Der Ganzjahresreifen verändert zunehmend den Reifenmarkt – für die Betriebe eine Herausforderung.
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Der Ganzjahresreifen verändert zunehmend den Reifenmarkt – für die Betriebe eine Herausforderung.

Reifenindustrie

Ganzjahresreifen – ein Spagat zwischen den Anforderungen

Die Kunden auf dem deutschen Markt greifen immer öfter nach „Alleskönner“-Pneus und sparen sich den Wechsel der Saisonreifen. Ob dies jedoch in jedem Segment eine gute Wahl ist, wollten wir von den Reifenexperten von Falken wissen.

Der Trend zu Ganzjahresreifen ist nicht mehr wegzudenken. Bereits im vergangenen Jahr attestierte der Bundesverband Reifenhandel und Vulkanisieurhandwerk (BRV) dem Ganzjahresreifen einen Marktanteil von rund 27 Prozent am deutschen Markt. Für die Ingenieure der Reifenhersteller bringt der Wandel technische Herausforderungen mit sich, die besonders durch schwere und leistungsstarke Elektrofahrzeuge weiter verschärft werden. Mit Patrick Eufinger, Produkt Manager bei Falken Tyres, haben wir über die Herausforderungen an den modernen Ganzjahresreifen gesprochen.

Spiegelt sich die Nachfrage nach Ganzjahresreifen auch bei Falken im gleichen Maße wie in der BRV-Studie wider? Und gibt es Größen, die bei den Ganzjahresreifen hervorstechen?

Patrick Eufinger: Das Ganzjahresreifensegment ist auch bei Falken eine der wichtigsten Säulen der Wachstumsstrategie. Wir unterscheiden zwischen SUV und Pkw. Beide Segmente wachsen prozentual unterschiedlich, aber beständig. Im Pkw-Segment konnten wir in den letzten Jahren eine Steigerung unseres Verkaufsvolumens über dem generellen Marktwachstum verbuchen, wohingegen sich im SUV-Segment unsere Entwicklung dem stetig hohen Markt anpasst.

Insgesamt zeigt sich sehr deutlich, wie stark der Trend im Allwetterreifensegment momentan zu den Größen von 17 bis 19 Zoll geht. Dafür sorgt der steigende Anteil der CUV- (Crossover Utility Vehicle) und SUV- Fahrzeuge.

Für die Werkstatt ist der Entfall des Reifenwechsels und der Lagerung ein Umsatzrückgang. Dafür halten die Reifen rein rechnerisch nur halb so lang wie beim Fahren auf zwei Sätzen. Geht die Rechnung für die Werkstatt am Ende auf oder sind Ganzjahresreifen eher ein „Nachfrage-Produkt“?

Patrick Eufinger: Für Werkstätten ist der Wechsel von der halbjährlichen Reifenwechselsaison hin zum Bedarfswechsel zweifellos eine Herausforderung. Gerade die Kundenbindung entwickelt sich anders, wenn der Kunde mindestens zweimal im Jahr in der Werkstatt vorbeischauen muss.

Im Rahmen des Reifenwechsels könnten bei Bedarf Servicedienstleistungen wie eine Prüfung von sicherheitsrelevanten Mängeln am Kundenfahrzeug oder ein kleiner Fahrzeugservice angeboten werden. Die längeren Serviceintervalle und weniger Werkstattbesuche könnten hier zu einem Problem für den Kunden werden, dem die Werkstatt mit einem zusätzlichen Service entgegenwirken kann.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass alle Reifensegmente zweifellos ihre Berechtigung haben. Jeder Autofahrer hat unterschiedliche Anforderungen an seine Reifen, die auf seine individuelle Nutzung abgestimmt sind. In diesem Zusammenhang spielen Werkstätten eine entscheidende Rolle, indem sie die Kunden beraten und das für sie am besten geeignete Produkt ermitteln.

Besonders die Suchanfragen nach Allwetterreifen für SUV und diverse E-Fahrzeuge steigen bei den Suchmaschinen stark an. Wo liegen die Herausforderungen, einen Reifen für besonders schwere Fahrzeuge abstimmen?

Patrick Eufinger: Ein Reifen für schwere Fahrzeuge ist anders aufgebaut, um der höheren Last standhalten zu können. Die Herausforderung ist hier, den Reifen robuster zu gestalten, ohne das Gewicht in die Höhe zu treiben. Die ungefederten rotierenden Massen des Fahrzeuges sollen so gering wie möglich gehalten werden, um den höchsten Fahrkomfort und den geringsten Verbrauch zu gewährleisten.

Der „europäische“ Ganzjahresreifen ist vor allem auf die Bedürfnisse urbaner Anwender – hauptsächlich trocken, wenig Schnee – ausgelegt. 
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Der „europäische“ Ganzjahresreifen ist vor allem auf die Bedürfnisse urbaner Anwender – hauptsächlich trocken, wenig Schnee – ausgelegt. 

Wie wird ein Ganzjahresreifen für den europäischen Markt ausgelegt? Wird Wert auf einen guten Kompromiss bei der Gesamtperformance gelegt oder steht die Sommerreifenperformance – weil „alltagsnäher“ – im Fokus?

Patrick Eufinger: Mit Ganzjahresreifen muss immer ein Mittelweg durch die unterschiedlichstem Witterungsanforderungen gefunden werden.  Das neueste Produkt in unserem Ganzjahresportfolio, der Euroallseason AS220PRO, ist ausgelegt für urbane Anwender, die eher regen-nass oder auch im Winter auf trockenen Straßen unterwegs sind. Dabei stand eher die Sportlichkeit in allen Wetterlagen im Vordergrund. Das AS220PRO-Portfolio zeichnet sich durch größere Zolldurchmesser, höhere Laufstreifenbreite und ein Geschwindigkeitssymbol bis W aus.

Den Euroallseason AS220PRO verstehen wir als Ergänzung der unseres Ganzjahresangebots, bei dem wir mit dem AS210 auf den angesprochenen Mittelweg gehen, damit der Reifen in allen Wetterlagen eine sichere Option ist. Der AS220PRO bietet eine Option für Kunden mit dynamischerem Anspruch.

Stellen die höheren Peak-Leistungen von E-Fahrzeugen besondere Anforderungen an Allwetterprofile?

Patrick Eufinger: Das Anforderungsprofil von Allwetterprodukten für den neuen Fahrzeugmarkt ändert sich drastisch. Das hohe Gewicht gepaart mit dem hohen Drehmoment der Fahrzeuge muss definitiv berücksichtigt werden. Darüber hinaus wird bei E-Fahrzeugen ein hoher Wert auf Rollwiderstand und das Fahrzeuginnengeräusch gelegt, um zum einen die Reichweite zu optimieren und zum anderen den Fahrkomfort zu verbessern. Diese Weiterentwicklungen sind auch für herkömmliche Verbrenner von Vorteil.

Der ADAC hat bei seinem jüngsten Test von Ganzjahresreifen durchweg längere Bremswege festgestellt. Trocken verlängerte sich der Bremsweg um 6,5 bis 14 Meter, nass wurden 3 bis 7 Meter mehr als bei einem Saisonreifen ermittelt ). Warum bremsen Ganzjahresreifen häufig so viel schlechter als ihre saisonalen Kollegen?

Patrick Eufinger: Wie bereits betont erfordert die Entwicklung eines Ganzjahresreifens die Abwägung von Zielkonflikten in der Performance. Diese schlagen sich auch in der Profilgestaltung und der Gummimischung nieder. Um zu garantieren, dass der Reifen auf trockenen, nassen und beschneiten Fahrbahnen sowie bei sommerlichen und winterlichen Temperaturen Bestleistungen bringen kann, müssen immer gewisse Nachteile in Kauf genommen werden.

Patrick Eufinger ist Produkt Manager bei der Falken Tyre Europe GmbH
Foto: Falken
Patrick Eufinger ist Produkt Manager bei der Falken Tyre Europe GmbH
Für Werkstätten stellen diese Marktveränderung weg vom jährlichen Reifenwechselsaisons hin zu Bedarfswechsel zweifellos eine Herausforderung dar.

(sib/amz.de)

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